Wissen

Erlerntes Wissen

Der Soziologen Peter L. Bergers und Thomas Luckmanns Annahme ist, dass der Mensch grundsätzlich erstmal ein weltoffener Mensch ist, der sowohl einen Instinktapparat als auch einen Verstand besitzt. Allerdings braucht der Mensch einen, nach dem Philosophen George Herbert Meads definierten, signifikanten Anderen, der ihn von der biologischen Hülle hin zum sozio-kulturellen Produkt umwandelt1. Im ständigen dialektischen Prozess der Sozialisierung, werden als gesamtgesellschaftliche Komponenten, die Externalisierung, Objektivation und Internalisierung zur Bildung der objektiven und subjektiven Wirklichkeit von Gesellschaft, simultan zu den Teilen der Gesellschaft praktiziert2.

Wissen ist Macht

Für Bourdieu sind die gesellschaftlichen Strukturen von zentralem Interesse. Sein Habituskonzept und dessen Handlungsmöglichkeiten- und -grenzen beschreiben ein Feld der Machtrelationen und untersuchen das Verhältnis von Akteur/Subjekt und objektiven Strukturen. Machtrelationen bestimmen die Möglichkeiten und Grenzen des Handelns innerhalb eines Feldes. Inhalte und Akteure in den Feldern können sich ändern. Die Gesetzmäßigkeiten des Feldes, d.h. der Kampf um die Kapitalsorten ändern sich jedoch in der Regel nicht. Wissen kann zur Stabilisierung beitragen, aber auch zur Änderung von Machtverhältnissen. Er untersucht das Wissen der Akteure selbst und fragt was diese über gesellschaftliche Zusammenhänge wissen und wie diese wahrgenommen werden. Er thematisiert Wissen als Machteffekt und unter dem Blickwinkel der Reproduktion sozialer Ungleichheit. Wissen verweist für ihn auf Macht in Form von kulturellen und symbolischen Kapital, d.h. als Ressource und Kognition. Durch seine ungleiche Verteilung ist Wissen in Form des kulturellen Kapitals Anlass der Felddynamik und ermöglicht in Form des symbolischen Kapitals auch die unhinterfragte Akzeptanz der feldspezifischen Ziele. Wissen und Macht gehen eine Verbindung über die ungleiche Verteilung des kulturellen und symbolischen Kapitals ein, die sich in den unterschiedlichen Habitus der Akteure äußern. Dieses Wissen stabilisiert Machtverhältnisse, weil es auf Akteursebene die Grenzen des Handelns markiert. Die gesellschaftliche Verteilung von Wissen äußert sich in den Handlungskompetenzen der Akteure. Damit bindet Bourdieu den Begriff des Wissens und der Bildung (als inkorporiertes kulturelles Kapital) an das Individuum.
„Gesellschaftliche Kämpfe“ sind nach ihm per se konflikthaft, da Wissen in diesem Verständnis zwangsläufig mit Macht verbunden ist. Dies, weil Macht auf der ungleichen Verteilung von Ressourcen beruht und dies ebenfalls das Wissen betrifft.
Wissen als kulturelles Kapital zu betrachten, welches den Akteuren in inkorporiertem, objektivierten oder institutionalisierten Zustand zur Verfügung steht, gibt Aufschluss über die Struktur des sozialen Feldes, in dem es zum Tragen kommt und die Wissenskonstruktionen, die dort von statten gehen3.

Wissen ist Macht

Laut Foucault schaffen moderne Gesellschaften „Wahrheitsregime“: Die Wahrheit ist als ein System geordneter Verfahren zur Produktion, Regulierung, Verteilung, Verbreitung und zum Betreiben von Aussagen zu verstehen4. Foucault stellte fest, dass Wissen immer durch Machtverhältnisse strukturiert ist und der Umfang des Vorstellbaren dadurch begrenzt wird. Die Praktiken, die hinter dem Diskurs stehen, bestimmen den Gegenstand des Diskurses und dementsprechend auch das Wissen, das produziert und diskursiv vermittelt wird, sodass dieser geordnet und kontrolliert vollzogen wird5.
In „Archäologie des Wissens“ beschreibt Michel Foucault 4 diskursive Formationen, die helfen die Macht des Diskurses zu verstehen: Die Formation von Objekten, welche Regeln für die Gestaltung von Objekten beschreibt, ihre anfängliche Erstellung, die für die Objekte zuständigen Autoritäten und ihre Beziehung zu anderen Autoritäten, ihre Klassifizierung und ihre Beziehung zu anderen Objekten6. Daraus ergibt sich aber auch eine Tabuisierung potentieller Phänomene.
Die Formation von Modalitäten, welche sich auf den/die Sprecher/in oder die Arena bezieht, in der der Diskurs stattfindet, oder auf die Position des Subjekts (Person). Der Status des/ der Sprecher/ in ist besonders wichtig, da er die Möglichkeit gibt, sein/ ihr Anliegen auf eine bestimmte Weise zu äußern, und bestimmt, welche Themen angesprochen werden können. Die Auswahl der sprechenden Akteure basiert auf Prinzipien der Legitimation. Legitime Sprecher sind hier Akteure, die der Vernunft unterliegen; ‚dem Wahnsinn‘ wird hingegen kein Gehör geschenkt7.

Die Formation von Konzepten befasst sich mit der Frage, wie Aussagen miteinander verknüpft sind und wie die Dinge in anderen diskursiven Feldern angeordnet sind oder in der Vergangenheit gemacht und angeordnet wurden. Und die Formation von Strategien, welche die Mechanismen beschreibt, die die Gesellschaftstheorien verbinden, also die Phänomene, die in ihrer Zeit und Kultur verstanden werden müssen. Die ‚Diskursgesellschaften‘, in denen die Rahmenbedingungen und Diskursregeln produziert und bewahrt werden können, bilden die Grundlage der Mechanismen8.
Zuletzt wird der Diskurs unmittelbar von der Autorenschaft mitbestimmt, aber auch zugänglich gemacht. Dis geschieht beispielsweise durch die von ihnen verwendete Sprache sowie die gewählte Struktur9. Diskursive Formationen begrenzen die Gesamtheit aller möglichen Aussagen10.

Raumwissen

Raumwissen ist ein fester Bestandteil der Aneignung der Welt. Der konstruierte Raum, die praktische Aneignung des Raumes und die subjektive Wahrnehmung des Raumes, produzieren in einem dynamischen Zusammenspiel unser ‚Raumwissen‘ und somit die Deutung und Wirkung des Raumes11. Das von dem Subjekt, im Kontext einer Gesellschaft, angeeignete Wissen und die angeeigneten Werte, können im ‚Raumwissen‘ zum Ausdruck kommen. Durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Komponenten, die die Entstehung von ‚Raumwissen‘ beeinflussen, wird auf dieser Website die Wissenskompetenz zur Entstehung von ‚Raumwissen‘ gestärkt.
Im Besonderen wird auf dieser Website die Komponente der materiellen Gegebenheit des Raumes berücksichtigt, welche das Entstehen von ‚Raumwissen‘, die Deutung und die Wirkung des Raumes beeinflusst12.

Communities of Practice als Orte der Wissensaushandlung

Lave und Wenger distanzieren sich von der Annahme Lernen als individuellen Wissenserwerb anzusehen und sehen Lernen und Wissen eingebettet in sozialen Interaktionen. Die soziale Praxis stellt den Kontext für Lernen und Wissen dar. Im Mittelpunkt dieser sozialen Praxis steht die Aushandlung von Bedeutung in der sozialen Interaktion 13. Mit der Zeit schafft die andauernde Aushandlung von Bedeutung in der sozialen Praxis eine soziale Lerngeschichte, aus der eine informelle, dynamische soziale Struktur heraus entsteht, die „Community of Practice“ (CoP). Innerhalb dieser schreibt sich die Lerngeschichte in der gemeinsamen Praxis ständig fort und verändert sich dynamisch. Zentrale, sich wechselseitig bedingende, Aspekte einer CoP sind (1) der Interessenbereich, das was wichtig für die Mitglieder ist und für das sich das Engagement lohnt, (2) die Community, die durch regelmäßige gemeinsame Aktivitäten und Diskussionen sozial interagiert, dabei voneinander lernt, und (3) ein gemeinsames Repertoire an Wissen, Ideen, Konzepten, Artefakten, Routinen und sw., das in der sozialen Praxis ausgehandelt und akkumuliert wird14. CoPs sind somit Orte der Wissensaushandlung und -verhandlung. In den Aushandlungsprozessen können Spannungen entstehen und Machtdynamiken zum Vorschein treten. Die Spannung in der Aushandlung von Bedeutung und Kompetenz ist fester Bestandteil der CoP und nur wer in seiner Kompetenz von den Mitglieder*innen ausreichend legitimiert ist, kann die Praxis durch neue Erfahrungen verändern. Es bildet sich somit innerhalb von CoPs aber auch darüber hinaus in Landschaften eine „Economy of Meaning“ heraus, in der einzelnen Deutungen ein unterschiedlicher Wert zugesprochen wird 15.

Diesen theoretischen Zugang haben folgende studentische Einzelprojekte gewählt:

Gomes Reis, Madlene: Rassismus macht krank?
Vermittlung von Rassismus als soziale Determinante von Gesundheit



Helmke, Daria Margo: Der grüne Zweig
Nissen, Pauline: Was Kinder essen sollen?! Strategien der Wissensvermittlung über gesunde Ernährung für Kinder
Pridöhl, Miriam: Wissenskonstruktionen in politischen Kollektiven
Steidl, Sarah: Interdisziplinäre Wissensorganisation des Poliklinik-Kollektivs
Tönnies, Jan-Philipp: 
Soziale Integration durch Schwimmen in Hamburg beim „Luruper Förderverein Integration durch Schwimmen e. V.“

Literatur und Quellen:

Baumgarten, Britta & Ullrich, Peter (2012): Discourse, power and governmentality: Social movement research with and beyond Foucault. Berlin: WZB Berlin Social Science Center.

Baur, Nina (2013): http://blog.soziologie.de/2013/03/die-interaktion-von-mensch-und-raum-durch-raumproduktion-raumwahrnehmung-und-raumaneignung/ (zuletzt aufgerufen: 9.12.2018).

Berger, Peter L.; Luckmann, Thomas; Plessner, Helmuth (2018): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Unter Mitarbeit von Monika Plessner. 27. Auflage. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag.

Foucault, Michel (1977): Die Ordnung des Diskurses. In: Anthropologie. Lepenies, Ritter (Hrsg.). Ulm.

Foucault, Michel (1980): Power/Knowledge: Selected Interviews and Other Writings, 1972-1977. New York.

Kajetzke, Laura (2008): Wissen im Diskurs. Ein Theorievergleich von Bourdieu und Foucault. Wiesbaden.

Lave, Jean; Wenger, Etienne (1991): Situated Learning. Legitimate peripheral participation. New York: Cambridge University Press.

Wenger, Etienne (2010): Communities of Practice and Social Learning Systems: the Career of a Concept. In: Blackmore C. (eds) Social Learning Systems and Communities of Practice. London: Springer.