Soziale Integration durch Schwimmen in Hamburg

beim Luruper Förderverein Integration durch Schwimmen e. V.

von Jan-Philipp Tönnies

Schwimmsachen (Jan-Philipp Tönnies CC BY-NC-SA 3.0 DE)

Meine Eltern haben mir eine Schwimmausbildung ermöglicht, haben mir meine Schwimmsachen gekauft, den Mitgliedsbeitrag im Schwimmverein bezahlt und haben mich zu den Schwimmstunden und den Wettkämpfen gefahren. Vom heutigen Standpunkt aus betrachtet konnte ich diese Förderung in Anspruch nehmen, weil ich privilegiert aufgewachsen bin. Viele Kinder im nordwestlichen Hamburger Stadtteil Lurup haben leider nicht das Glück, das ich hatte. Sie kommen oft aus schwierigen Verhältnissen, welche ihnen solch ein privilegiertes Leben, wie ich es hatte, verwehren oder zumindest erschweren. Manche Eltern oder Vormünder der Kinder, die beim Luruper Förderverein Integration durch Schwimmen e. V. das Schwimmen erlernen oder die Wassergymnastikangebote in Anspruch nehmen, können ihren Kindern gewisse elementare Dinge nicht bieten. In allen Fällen lässt es die finanzielle Situation nicht zu, den Kindern Sportangebote bieten zu können, auch ist für viele Kinder aus verschiedenen Gründen Integrationsbedarf vorhanden.

Im Folgenden geht es nun darum, was unter sozialer Integration zu verstehen ist. Der gemeinnützige Verein Luruper Förderverein Integration durch Schwimmen e. V. dient hierbei zur Veranschaulichung, wie soziale Integration durch Schwimmen in Hamburg geleistet wird. Ich möchte zunächst die Gründungsgeschichte des Vereins umreißen und erklären, was die Motivation zur Vereinsgründung war. Danach soll ersichtlich werden, was der Wissensvorrat ist, der von den verantwortlichen Akteur*innen bereitgestellt wird und wie dieses Wissen an die Kinder vermittelt wird. Schließlich werden die Herausforderungen thematisiert, die die Kinder mit ihren Vorgeschichten in die Schwimmgruppen mitbringen und denen sich die Schwimmausbilder*innen annehmen. Diese Fragen werden aus kulturanthropologischer und sportwissenschaftlicher Perspektive beleuchtet. Dabei habe ich den aktuellen kulturanthropologischen Forschungsstand zu sozialer Integration durch Sport an der Dissertation Soziale Integration durch Vereinssport von der Kulturanthropologin Simone Sattler eingeordnet, die mir vor allem in der Einordnung des Integrationsbegriffs ideengebend hilfreich war. Die sportwissenschaftliche Perspektive ist interdisziplinär ausgerichtet und setzt sich unter anderem aus der Bewegungswissenschaft, der Soziologie und der Kulturanthropologie zusammen. Dabei kommen die beiden verantwortlichen Akteur*innen vom Luruper Förderverein Integration durch Schwimmen e. V., verantwortliche Person 11 und verantwortliche Person 22 zu Wort, die ich für meine Arbeit in einem qualitativen Interview interviewt habe. Außerdem werden meine eigenen Eindrücke aus der teilnehmenden Beobachtung beim Luruper Förderverein Integration durch Schwimmen e. V. miteingebracht.

LuFisch e. V.

Der Luruper Förderverein Integration durch Schwimmen e. V., kurz LuFisch, ist ein gemeinnütziger Verein, der im Jahr 2006 von einer Elterninitiative gegründet wurde, um die Schließung des Lehrschwimmbades im Swatten Weg an der Fridtjof-Nansen-Schule verhindern zu können. Dem Schwimmverein sitzen verantwortliche Person 1, als Gründungsmitglied und 1. Vorsitz, und verantwortliche Person 2, als 2. Vorsitz, vor, die mit einer weiteren trainierenden Person in ehrenamtlicher Arbeit den Schwimmunterricht in den LuFisch-Schwimmgruppen leiten und durchführen. Vorausgegangen war der Vereinsgründung ein Beschluss im Jahr 2005 des Hamburger Senats, acht seiner Lehrschwimmbäder zu schließen, um Finanzmittel für den stadteigenen Schwimmbadbetreiber Bäderland GmbH frei machen zu können. Der Elternrat organisierte Demonstrationen und sammelte Unterschriften für den Erhalt des Lehrschwimmbades im Swatten Weg.3 Daraufhin wurde LuFisch gegründet und durch die Vereinbarung eines Nutzungsvertrags zwischen der Stadt Hamburg und LuFisch konnte das Lehrschwimmbad weiter genutzt werden. Um die laufenden Kosten für den Betrieb des Schwimmbades bezahlen zu können, wurden Schwimmzeiten an interessierte Mitnutzer*innen vermietet sowie Spender*innen gewonnen. 2009 legte der Senat das Konzept Unentgeltliche Übertragung des Eigentums an den acht mit Lehrschwimmbecken bebauten Grundstücken Mendelssohnstraße 86, Swattenweg 10, Lohkampstraße 145, Paul-Sorge Straße 133–135, Turmweg 33, Steinadlerweg 26, Eberhofweg 63 und Bramfelder Weg 121 an interessierte, wirtschaftlich leistungsfähige Träger vor, da eine weitere Nutzung ökonomisch als nicht sinnvollbewertet wurde, auch weil zusätzliche Kosten für notwendige Sanierungsmaßnahmen hinzugekommen wären. Die Stadt bot daraufhin die unentgeltliche Überlassung der Lehrschwimmbäder an geeignete Nutzer*innen an.4 Daraufhin bewarb sich der LuFisch e. V. bei der Hamburger Schulbehörde mit seinem Konzept und den für die Sanierung notwendigen Finanzmitteln für das ohnehin schon genutzte Lehrschwimmbad im Swatten Weg und erhielt den Zuschlag. Seit dem Jahr 2010 ist LuFisch somit Eigentümer der Schwimmhalle. Für die Bewerbung um den Überlassungsvertrag musste verantwortliche Person 1 innerhalb kürzester Zeit über 180.000 Euro durch Spenden organisieren. 5

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg sah aufgrund der Bauart der Schwimmbecken in den Lehrschwimmbädern keine geeignete Sportstätte für den Schulschwimmsport. Allerdings seien sie geeignet für die Nutzung durch spezielle Personengruppen, wie beispielsweise zur Wassergewöhnung für Kleinkinder und damit ein wichtiger Baustein in der Schwimmausbildung.6

Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg sah aufgrund der Bauart der Schwimmbecken, in den Lehrschwimmbädern keine geeignete Sportstätte für den Schulschwimmsport. Allerdings seien sie geeignet für die Nutzung durch spezielle Nutzergruppen, wie beispielsweise zur Wassergewöhnung für Kleinkinder und damit ein wichtiger Baustein in der Schwimmausbildung.
Für die Integration von körperlich, geistig oder sozial benachteiligten Kindern ist die frühkindliche Förderung des Schwimmens elementar. Ergänzend zum Angebot der von Bäderland Hamburg GmbH betriebenen Schwimmbäder können in Lehrschwimmbecken insbesondere o.g. Defizite durch die Wassergewöhnungskurse minimiert oder beispielsweise Schwimmkurse für muslimische Frauen in geschützter Atmosphäre ermöglicht werden. Daneben bieten die Vereine in den Lehrschwimmbecken Programme zur allgemeinen Fitness und Gesundheitskurse sowie spezielle Kurse für ältere und erkrankte Menschen an. Über das vielfältige Schwimmangebot hinaus, das von Kindertagesstätten, Schulen, Vereinen und privaten Gruppen in Anspruch genommen wird, sind die bestehenden acht Lehrschwimmbecken Bestandteil des jeweiligen Stadtteillebens geworden. In der Infrastruktur der Stadtteile ergänzen die Lehrschwimmbecken den Bedarf an lokalen Schwimmmöglichkeiten, insbesondere für sozial benachteiligte Gruppen.

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drucksache19/2780, 19. Wahlperiode. 14.04.09. S. 2.

Für verantwortliche Person 1 und verantwortliche Person 2 ist es ein Anliegen, dass alle Kinder, unabhängig von ihrer Herkunft und körperlichen Verfassung, schwimmen lernen und später sicher schwimmen können. Das Schwimmen werde zwar im Schulschwimmunterricht gelehrt, jedoch seien die Schwimmfähigkeiten der Kinder weit vom sicheren Beherrschen des Schwimmens entfernt.7 Im Schwimmunterricht der LuFisch-Schwimmgruppen erlernen die Kinder nicht nur das reine Schwimmen, denn die Gruppen bestehen auch aus Kindern, die entweder traumatische Erlebnisse mit dem Wasser gemacht haben oder körperliche Einschränkungen haben. Diese Kinder müssen besonders betreut an das Wasser herangeführt und langsam in die heterogene Schwimmgruppe integriert werden. Um den Schwimmunterricht durchführen und den unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder gerecht werden zu können, haben verantwortliche Person 1 und verantwortliche Person 2 spezielle Ausbildungen absolviert. Verantwortliche Person 1 ist gelernte Rechtsanwalt- und Notarfachangestellte, staatlich geprüfte Sekretärin und staatlich geprüfte Bilanzbuchhalterin und hat damit die Expertise für die verwaltenden Aufgaben im Verein zusätzlich zur Schwimmausbildung. Sie erreichte ihre Qualifikationen für die Schwimmausbildung in ihrer Freizeit, neben ihrem Beruf und ihrer Familie, und sammelte Erfahrungen in vorherigen ehrenamtlichen Tätigkeiten, unter anderem bei den Kindergärten ihrer Kinder.8 Verantwortliche Person 2 ist Sportwissenschaftlerin und Physiotherapeutin und führte schon in ihrer Jugend Schwimmausbildungen durch. Sie hatte mit ihrer fachlichen Expertise die Federführung bei der Konzepterstellung für die Schwimmausbildung bei LuFisch. Bei der Suche nach einer geeigneten Schwimmhalle für ihre Schwimmschule Kleine Fische wurde verantwortliche Person 1 auf LuFisch aufmerksam und trat 2012 dem Verein bei. 9

Das Lehrschwimmbad an der Fridtjof-Nannen-Schule

Die Eingangstür der Lehrschwimmhalle im Swatten Weg 10 in Hamburg-Lurup (Jan-Philipp Tönnies CC BY-NC-SA 3.0 DE)

Das Lehrschwimmbad ist auf dem Gelände der Fridtjof-Nannen-Schule, im Swatten Weg 10, am Rande von Lurup gelegen. Am 05.07.2018 war ich dort, um mir im Rahmen einer teilnehmenden Beobachtung einen Eindruck von den Räumlichkeiten und der Atmosphäre des Schwimmbetriebs zu machen.10 An der langen Hauswandseite der roten Backsteinhalle ist die weiße Eingangstür mit kleiner Rampe für Rollstühle, links davon eine geschützte Informationstafel mit der Badeordnung und anderen Informationsblättern sowie zwei Plaketten, die die Zertifizierung von LuFisch und der Schwimmschule Kleine Fische als Schwimmschulen des Deutschen Schwimm-Verband e. V. – jugend (dsv-jugend) ausweist.

Infotafel an der Lehrschwimmhalle mit DSV-jugend-Plaketten im Swatten Weg 10 (Jan-Philipp Tönnies CC BY-NC-SA 3.0 DE)

Der Eingangsbereich ist kindgerecht mit drei kleinen Holzbänken eingerichtet, links und rechts ist jeweils eine Tür, die in die Umkleidekabinen für die Mädchen und Jungen führen. Ab dem Eingangsbereich sind Straßenschuhe nicht gestattet, weshalb die Besucher*innen dort ihre Schuhe wechseln müssen. Die Umkleidekabinen sind mit Bänken optisch in den Straßenkleidungsbereich sowie in den Bereich für die Schwimmkleidung geteilt. Von den Umkleideräumen gelangen die Besucher*innen sowohl in die Dusche als auch durch eine Tür in die Schwimmhalle.

Eingangsflur der Lehrschwimmhalle im Swatten Weg 10 (Jan-Philipp Tönnies CC BY-NC-SA 3.0 DE)

Vor der Teilnahme am Schwimmunterricht, beziehungsweise vor dem Betreten des Schwimmbeckens, müssen sich die Teilnehmer*innen abduschen sowie eine Badekappe aufsetzen. Weitere Hygieneregeln sind das Verbot von Essen und Trinken ab dem Eingangsbereich sowie das Tragen von Aquawindeln für Kinder bis zu drei Jahren und Erwachsenen mit vermuteten Bedarf Pflicht. Da die Schwimmhalle neben LuFisch von unterschiedlichen Gruppen genutzt wird, wie Schulklassen oder Vereinen, ist die Badeordnung11 von allen Nutzer*innen der Schwimmhalle zu befolgen. Die Einrichtung der Schwimmhalle ist zentral um das Schwimmbecken aufgebaut. An den beiden langen Seiten des Beckens sind die Fensterfront und gegenüber davon eine Holzbank an der Wand angebracht, an den Stirnseiten sind die Regale mit den Unterrichtsmaterialien, wie Schwimmreifen und Schwimmflossen, aufgestellt sowie Stapel mit Schwimmmatten. Das Schwimmbecken ist acht Meter breit und zehn Meter lang und hat eine Wassertiefe von 0,8 Meter bis 1,20 Meter. Der lange Beckenrand, zu den Bänken hin, besteht aus einer Einstiegstreppe mit Geländern und ermöglicht körperlich eingeschränkten Menschen einen leichteren Einstieg.

Eingangsflur der Lehrschwimmhalle im Swatten Weg 10 (Jan-Philipp Tönnies CC BY-NC-SA 3.0 DE)

Schwimmunterricht und Integration bei LuFisch

Das Schwimmangebot von LuFisch ist kostenlos und richtet sich an Kinder aus Lurup, aber auch darüber hinaus an Kinder aus den umliegenden Stadtteilen. Die Nachfrage ist groß, da das Schwimmausbildungkonzept und der Gedanke zur sozialen Integration über Lurup hinaus bekannt ist. Zum Teil versuchen Eltern aus weiter entfernten Stadtteilen ihre Kinder bei LuFisch unterzubekommen.12 Denn besonders für Kinder mit körperlichen Einschränkungen sind die Schwimmangebote rar gesät. Diese Kinder können manchmal an die Schwimmschule Kleine Fische der verantwortlichen Person 2 weitervermittelt werden, wenn die LuFisch-Gruppen voll sind oder die Eltern nicht die Anmeldevoraussetzung erfüllen. Denn in die LuFisch-Schwimmgruppen werden nur Kinder aus sozial benachteiligten Familien oder aus sozialen Einrichtungen, wie Heimen, aufgenommen. Dazu muss die Bedürftigkeit nachgewiesen werden. Neben den Kinderschwimmgruppen bietet LuFisch auch Schwimmkurse für jugendliche Mädchen und Frauen in geschützter Atmosphäre an. Oftmals sind es die Mütter, die durch die sichtbaren Erfolge ihrer Kinder motiviert werden, auch schwimmen lernen zu wollen. Dabei sei die Wahl der Schwimmbekleidung freigestellt, auch das Tragen von Burkinis sei kein Problem, diese würden jedoch ohnehin sehr selten getragen.13 Das Angebot richtet sich, wie auch bei den Kinderschwimmkursen, an Bedürftige und bildet sowohl im Anfänger- als auch im Fortgeschrittenenniveau aus. In den Kinderschwimmkursen gibt es jedoch keine Trennung nach den Leistungsniveaus, denn das Ausbildungskonzept sieht vor, dass die Kinder gemeinsam und mit den auf jedes Kind speziell angepassten Methoden, lernen sollen. So können Kinder mit und ohne Einschränkungen und trotz unterschiedlicher Schwimmfähigkeiten zusammen am Kurs teilnehmen.14 Dass LuFisch sein Konzept auf jedes Kind individuell anpassen kann, ist vor allem dadurch möglich, dass neben der Kurs leitenden Person auch immer noch mindestens eine helfende Person dabei ist. Durch die Vielzahl an jungen freiwilligen Helfer*innen, die von LuFisch selbst ausgebildet und mit einem „Schwimmenlern-Zertifikat“ ausgestattet werden, ist die Schwimmausbildung gesichert.15

Beim Blick auf das Thema soziale Integration durch Schwimmen stellt sich die Frage, was unter sozialer Integration zu verstehen ist. Hartmut Esser definiert den Begriff Integration allgemein als „den Zusammenhalt von Teilen in einem ,systemischen‘ Ganzen“16, wobei die Teile eine prägnante Stellung im Ganzen besäßen und sich zusammen als System erkennbar von seiner Umgebung abgrenzen würden.17 Während „die Integration in der Form der ,Organisation‘ […] über die Etablierung, Durchsetzung und Legitimation ,institutioneller Regeln‘, meist vor dem Hintergrund einer staatlichen Autorität“18 geschieht, trifft dieser Gedanke allerdings auch auf einen Verein wie LuFisch zu, da auch hier Regeln, in Form einer Badeordnung institutionell vorgegeben, durchgesetzt und legitimiert werden. Dabei haben „das Verhalten und die Zustände der Teile Auswirkungen auf das System insgesamt und auf die es tragenden Teile“.19 Hält sich beispielsweise eine Besucher*in des Lehrschwimmbeckens nicht an die Badeordnung20 und trägt nicht, die für die bestimmten Personen vorgeschriebenen Windeln, hätte dies unter Umständen schwerwiegende Folgen für die Wasserqualität des Schwimmbeckens. Bedingt durch den Einfluss des alltäglichen Mediengebrauchs wird man beim Begriff Integration wahrscheinlich eher an Menschen mit Migrationshintergrund und geflüchtete Menschen denken als beispielsweise an Menschen mit Handicap oder Menschen mit sozialen Defiziten.21 Dies wäre jedoch zu kurz gedacht und würde unterschlagen, dass Vereine wie LuFisch für Menschen, unabhängig ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, ihrer Vorgeschichte und ihrer Einschränkungen, insbesondere für Kinder, da sind. LuFisch vermittelt den Kindern das institutionalisierte Wissen22, also das im Verein gesammelte und gebildete Wissen, aus seinem Wissensvorrat, das sowohl aus dem Alltagswissen23, 24. als auch aus dem Fachwissen25 besteht. Für den Volkskundler Albrecht Lehmann sind dabei Sportvereine „eine wichtige Station zur dauerhaften sozialen und kulturellen Integration“26. Die Stadtplaner Gerhard Steinebach und Lukas Esper konstatieren darüber hinaus, dass „[n]eben den Leistungen für die Gesundheit […] der Sport zudem als wirksames Instrument im sozialen Bereich dienen [kann], vor allem im Verein oder in [der] Gemeinschaft […] und kann zudem soziale Spannungen und Aggressionen abbauen.“27 Denn existierende Spannungen und Aggressionen werden durchaus mit in den sicheren Raum LuFisch getragen, die sich dort entladen können. So kam es beispielsweise vor, dass sich im Umkleideraum zwei Mädchen im Alter zwischen elf und dreizehn stritten, so dass die Kurs leitende Person einschreiten musste und diese Situation auf pragmatische Weise löste, indem sie von beiden Mädchen eine aufrichtige Entschuldigung einforderte und in Aussicht stellte, dass beide ansonsten nicht mehr am Kurs teilnehmen dürften.28

Das Integrationsziel bei LuFisch ist nicht genau definiert, beziehungsweise ist nicht herausgestellt. Vielmehr wird die Integration in die Schwimmgruppe eher als wichtige Phase und nötigen Schritt angesehen, um auf dem Weg der Schwimmausbildung die Schwimmabzeichen bei LuFisch erreichen zu können.29 Wo ist nun die Integrationsarbeit von LuFisch anzusiedeln? Verantwortliche Person 1 nennt es Erfindungsreichtum, der von Nöten sei, um alle Kinder ins Boot zu holen. Denn die vielen Heimkinder, die in den LuFisch-Gruppen mitschwimmen, hätten alle Gepäck, das fast eine Erzieherstunde erfordere und manche Kinder würden von ihr und ihren Kolleg*innen sehr lange begleitet. So würden sie beim Schwimmen lernen, ihre körperlichen oder geistigen Defizite abzubauen. Dies würde mitunter drei bis vier Jahre dauern bis sie alle Schwimmabzeichen haben. Dabei würden die Kinder nicht aufgegeben, sondern es würde versucht, dass die Kinder alle Ziele erreichen.30 „Wenn man die dann begleitet von Anfang bis Ende, da hat man manchmal erstaunliche Ergebnisse, wie die sich in einer Gruppe hinterher integrieren können und das die dann plötzlich artiger sind als die Neuen, sag ich mal. So wie wir von vorne anfangen müssen, mit unserer Disziplinschulung.“31 Mit körperlichen Defiziten ist gemeint, dass Kinder Einschränkungen, beispielsweise Querschnittslähmungen oder Glasknochen, haben und einen anderen Zugang zum Kurs und somit zum Schwimmen brauchen als die Kinder ohne Einschränkungen. Damit schließt bei LuFisch die soziale Integration auch die Inklusion ein, die bei der Konzeption der Schwimmausbildung berücksichtigt wurde.

Wir versuchen den Rahmen so zu gestalten und uns den Kindern anzupassen, wie man so schön in der Inklusion ja auch sagt. Dass die sich hier wohlfühlen können und, dass wir es auch versuchen. Es ist geht nicht darum hier Bahnen zu schwimmen, sondern das Wasser mit all seinen, ja wie auch immer, Nuancen zu erfahren und zu spüren. Dass da auch Spaß mit bei ist und Freude und natürlich auch, dass die als Gruppe zusammenkommen und das jeder sehen kann, da sind auch andere Kinder, die Schwächen haben oder Schwierigkeiten und, dass sie das auch fragen dürfen und dass, wenn manchmal, wenn Streitereien sind, halt, dass dann auch mal besprechen muss.[


Verantwortliche Person 2, Interview, 22.08.2018. S. 10.

Zusammenfassend gesagt

Der Luruper Förderverein Integration durch Schwimmen e. V. hat sich zur Aufgabe gemacht mit seinem Wissensvorrat an Methoden und Techniken bedürftigen Kindern aus weniger privilegierten Familien, unabhängig ihrer Vorgeschichte und ihrer Verfassung, mit dem Integrationsgedanken das Schwimmen beizubringen. Der Effekt, der sich durch die regelmäßige Teilnahme an den Schwimmkursen einstellt, ist, dass die Kinder an Selbstvertrauen und Selbsteinschätzung gewinnen und sich ein Gespür für die Achtsamkeit gegenüber anderer Kinder und vermeintlich schwächeren Kindern entwickelt. Wichtig scheint für verantwortliche Person 1 und verantwortliche Person 2 zu sein, dass die Ausbildung Früchte trägt und sich positive Veränderungen bei den Kindern feststellen lassen. Sind die Kinder bereit die nächste Stufe zu gehen, also bereit ein höheres Schwimmabzeichen zu erschwimmen oder in einen Schwimmverein mit anderen Trainingsbedingungen und Ansprüchen zu wechseln, vermitteln die beiden trainierenden Personen gerne weiter an die umliegenden Schwimmvereine, die zum einen die Tiefwasserkapazität anbieten können und zum anderen die Schwimmfähigkeit weiter fördern. Durch die Förderungsleistung Kids in die Clubs des Hamburger Sportbund e. V. können die Kinder dann zu einem vergünstigten Vereinsbeitrag weiterschwimmen. 32, 33

Forschungsrahmen

Methoden der empirischen Forschung

Literatur und Quellen