Gouvernementalität und Biopolitik

Quelle: Paul Loboda CC BY-SA 4.0

gouvernementalität

Das Konzept der Gouvernementalität von Michel Foucault bezeichnet Machtmechanismen der Disziplinierung, Biomacht und des Regierens. Es durchdringt den Körper, Dinge, Emotionen und Gedanken bei gleichzeitigem Wachstum. So entstehen aus Machttechnologien Regierungsformen und Selbsttechnologien in Form von Selbstregulierung. Diese Praktiken greifen ineinander über.

Die subjektive Unterwerfung des Individuums und die damit einhergehende objektivierte Vergegenständlichung von Macht drückt sich in komplexen Verhältnissen aus in denen Wissen produziert wird. Die Disziplinarmacht dient dabei als Machttechnik der Wissensformen und Subjektivierungsprozessen. Das Individuum ist nicht mehr Knotenpunkt zwischen Macht und Wissen, sondern ein durch eine Doppelbewegung von Unterwerfung und Subjektwerdung aktiv produzierendes, Macht ausübendes und zur Selbstführung fähiges Subjekt.1

Subjektive Körper(lichkeit) und Biopolitik

An Anlehnung an Michel Foucault gibt es keine klare Definition der Biopolitik, lediglich Handlungsabsichten und Zwecke rahmen den Forschungsbereich. Diese umfasst Politiken, die sich mit dem Leben befassen, eine objektive Festsetzung des Begriffes ist dennoch nicht möglich, da Biopolitik immer in bewegliche hochpolitische und dadurch konfliktreiche Felder eingebettet ist. Die politikwissenschaftliche Auslegung der Biopolitik sieht sie als Handlungsfeld und Teilgebiet der Politik, die sich mit der Regulierung und Steuerung von Lebensprozessen beschäftigt und dadurch Entscheidungen der Gemeinschaft bestimmen.

Die ökologische Auslegung zielt auf die Erhaltung und Sicherung der Lebensgrundlagen. Das Leben ist dadurch Gegenstand politischen Handelns bei gleichzeitiger Voraussetzung. Verwaltung und Regulation von Lebensprozessen stehen auf der Ebene der Bevölkerung. Bewusst bestimmte Handlungen und Ziele von Akteursgruppen, aber auch nicht intendierte Handlungsfolgen werden geplant, außerdem entstehen Wissensformen, Kommunikationsstrukturen und Subjektivierungsweisen.

Quelle: Hans Weingartz CC-BY-SA 2.0

Nach Foucault ist das Leben die Grenze der Politik, die respektiert, überwunden, natürlich, vorgegeben, künstlich und veränderbar sein kann und in Beziehung zu Ordnungen des Wissens und Macht stehen. Durch das Beziehungsgeflecht entstehen politische Techniken.

Biologische Eigenschaften von Bevölkerungsgruppen sind steuerbar und werden durch Normierungen, Standards und Durchschnittswerten zu objektivierten messbaren Größen, die als Realitätsmaßstab dienen. Die Entwicklung eines spezifischen politischen Wissens durch Statistiken, Demografien, Epidemiologien und der Biologie korrigieren, exkludieren, normalisieren, disziplinieren, therapieren und optimieren das Individuum und das Kollektiv. Diese Mechanismen dienen als Maßnahmen zum Regieren. Die Natur stellt dadurch keinen autonomen Bereich dar, sondern ein Feld, in dem eingegriffen und durch Regierungspraktiken bzw. –handlungen interveniert werden kann. Das Subjekt entwickelt dabei Eigendynamiken, Selbstregulationsstrategien und Kompetenzen der Selbststeuerung. 2

Krankheitsraten- und narrative dienen dabei als Instrument der gezielten Steuerung und sind Resultat der Politisierung des Lebens.

Biomacht

Foucault interpretierte die Disziplin als eine wesentliche Technologie der Macht und bestimmte die Eigenart der Biomacht darin, dass sie sterben „lässt“ und leben macht.

Der repressiven Macht über den Tod wird demnach eine Macht über das Leben unterstellt. Hierzu analysierte Foucault zwei „Entwicklungsursachen der politischen Technologie des Lebens“, die Disziplinierung des Individualkörpers und die Regulierung der Gesellschaft. Die Disziplinartechnologie betrachtet den Menschen als eine komplexe Maschine, ihr gelingt es die Kräfte des Körpers zum Zwecke ihres wirtschaftlichen Nutzen zu steigern und zum Zwecke ihrer politischen Unterwerfung zu Schwächen. Sie konstruiert und strukturiert die Wahrnehmungsformen und Gewohnheiten der Individuen, dabei zielt sie auf die Dressur und Überwachung des individuellen Körpers. Die „Sicherheitstechnologie“, die sich aus der Gesamtheit aller konkreten Lebensäußerungen einer Gesellschaft erschließt, definiert den „Gesellschaftskörper“, durch Regulierung und Kontrolle. Im wesentlichen unterscheiden sich beide Machttechnologien in ihrer institutionellen Lokalisierung. Während die Disziplinartechnologie aus den Institutionen , der Armee, Gefängnis, Krankenhaus und Schule entstand, formte sich die Sicherheitstechnologie um die Mitte des 18. Jahrhunderts, durch die Zentralinstanz des organisierten Staates.

Diesen theoretischen Zugang haben folgende stundentische Einzelprojekte gewählt:

Bolz, Manuel: Gesundheitsstrukturen von Sexarbeiterinnen in Hamburg
Oberschelp, Monica: Tabuthema Suizidalität – gesellschaftlicher Diskurs und subjektive Wertung
Rausch, Aileen: Selbstbestimmt wohnen mit Rollstuhl
Sablotny, Nina: Mentale Gesundheit von Studierenden

Literatur:

Lemke, T.: Biopolitik. Zur Einführung. Hamburg 2007.

Pieper, M./ Rodriguez, E.G.: Einleitung. In: dies. (Hrsg.): Gouvernementalität. Ein sozialwissenschaftliches Konzept in Anschluss an Foucault.  Frankfurt am Main, 2003.