von Kristin Lange
Die Veränderungen durch den beschleunigten technischen, industriellen und sozialen Fortschritt werden in vielen Lebensbereichen sichtbar. Immer mehr Menschen werden mit der normativen Erwartung konfrontiert, sich ständig zu verändern, anzupassen, neu zu gestalten oder sich zu optimieren. Wie viel Schritte bin ich heute gegangen? Wie viele Kalorien konnte ich beim Laufen verbrauchen? Wie hoch ist mein Blutdruck? Der Trend über Apps, Fitnessarmbänder und Smartphones Daten über sich und den eigenen Körper zu messen bricht nicht ab. Die Rede ist von Self-Tracking. NutzerInnen dieser Fitnessarmbänder und Apps teilen ihre persönlichen Erfolge in sozialen Netzwerken oder speichern sie sich im Handy ab. Beinahe täglich hört oder liest man von neuen Self-Tracking-Gadgets, die auf den Markt kommen und vermeintlich besser als die vorangegangenen Geräte sind. Die Gadgets nehmen unmerklich eine Unmenge persönlicher Körper- und Verhaltensdaten des Besitzers auf. Dabei können sich die NutzerInnen dieser Techniken und Geräte anhand der selbst erhobenen Körperdaten beobachten, mit Bekannten oder Unbekannten vergleichen und das eigene Verhalten bei Bedarf korrigieren. Die Anfänge der Selbstüberwachung durch mittlerweile profanes Tracking etwa durch gelegentliches Wiegen des eigenen Körpergewichtes zeigen, dass damals schon das Bedürfnis nach Selbstkontrolle gegenwärtig war. Die technischen Gegebenheiten, die heute zum Teil zu Alltagsgegenständen geworden sind, waren damals schlicht noch nicht entwickelt. Fitnessarmbänder, Körperfettwaagen, moderne Apps und Schrittzähler integriert in Mobiltelefonen sind heute fast für jeden erhältlich. Die neu entwickelte Technik verändert sogar festgeschriebene Normen, Umgangsformen und Gewohnheiten. Sie ändert somit zum Beispiel die Art, wie wir sprechen oder wie wir uns bewegen, wie wir essen oder schlafen. Die Objektivierung des eigenen Körpers ist eine weitere Perspektive, die sich im Feld Self-Tracking ergibt.2 Die Körperwahrnehmung wird zunehmend durch die Optimierung des Körpers verändert und durch die sozialen Medien gelenkt.3 Welche Chancen und Risiken durch den Trend des Self-Trackings und der damit zusammenhängenden Selbstdarstellung auf sozialen Netzwerken entstehen, möchte ich in dieser Arbeit darstellen.
Was ist Self-Tracking?
Self-Tracking beschreiben Stefanie Duttweiler und Jan-Hendrik Passoth als „die Erhebung, Sammlung, Zusammenführung und Auswertung von Daten über alle nur erdenklichen Merkmale und Funktionen des eigenen Körpers“.4
Beim Self-Tracking kann man die unterschiedlichsten persönlichen Werte messen. So kann man beispielsweise seine Nahrungsaufnahme tracken, in dem man notiert, was man wann gegessen hat und kann damit beobachten, wie viele Kalorien man am Tag zu sich nimmt. Menschen, die unzufrieden mit ihrem Schlaf sind können ihren Schlafrhythmus mit sogenannten Schlaftrackern messen, die man sich kostenlos im App-Store auf sein Smartphone herunterladen kann. Beliebt beim Self-Tracking ist es, Körperzustände und Körperleistungen, wie etwa den Blutdruck, die Anzahl der Schritte oder die Laufstrecke zu messen und im Internet zu teilen. Es besteht die Möglichkeit, sich passende Apps auf dem Handy zu installieren oder man nutzt sogenannte Self-Tracking-Gadgets, die eine genaue Messung der eigenen Daten verspricht.
Stefanie Duttweiler und Jan-Hendrik Passoth unterscheiden zwischen dem „active tracking“, in dem die NutzerInnen selbständig Eintragungen in Apps vornehmen müssen wie beispielsweise beim Kalorienzählen und dem „passive tracking“, das die persönlichen Daten automatisch ohne Eintragungen der NutzerInnen speichert.6
Zusammengefasst geht es beim Self-Tracking darum, mehr über den eigenen Körper zu erfahren. Bei vielen AnwenderInnen steht dabei ein sportlicher sowie gesundheitsbezogener Aspekt im Vordergrund. Dabei sind Fitness und Selbstvermessung für viele Menschen Teil des Lebensstils geworden.
Was ist social-media?
Das Internet ermöglicht eine zeitversetzte interpersonale Kommunikation und macht eine Mensch-Maschine-Interaktion möglich.8 Durch diese Funktionen kann beispielsweise online eingekauft werden oder man kann in der virtuellen Welt gegen Menschen, die überall auf der Welt verteilt leben, online Spiele spielen. Jan Henrik Schmidt hat herausgearbeitet, dass sich das multimediale Internet erst durch leistungsfähigeren Breitbandverbindungen in den 2000er Jahren insbesondere durch die günstigen „Flatrate“-Tarife, etabliert hat.9 Heute sind die Möglichkeiten, die das Internet bereitstellt quasi unerschöpflich.
Seit den 2010er Jahren sind Smartphones und Tablet PCs in immer mehr Haushalten eingezogen und erlauben es den Besitzern beinahe überall online zu sein.11 Gerade bei Geräten, die mobil genutzt werden, werden die Daten immer mehr in der sogenannten „cloud“ gespeichert. Clouds sind Speicherplätze, die auf großen Servern von Rechenzentren liegen und jederzeit abrufbar sind. Sozialen Medien funktionieren ebenfalls mithilfe des Internets und ermöglichen es dem/der NutzerIn beispielsweise „Informationen aller Art im Internet zugänglich zu machen und zu bearbeiten“.12 Die BenutzerInnen können auch ohne technische Kenntnisse Texte, Bilder, Videos oder Audioaufnahmen im Internet veröffentlichen und so vielen Menschen zugänglich machen.13 Daneben bieten soziale Medien die Möglichkeit sich auszutauschen, sei es durch Funktionen des Kommentierens oder mithilfe von Chatfunktionen. Besonders häufig genutzte Plattformen sind unter anderem Facebook, Instagram und YouTube.
Forschungsdesign und Methodologie
Das kulturanthropologische Forschungsfeld, in dem ich mich bewege, ist das der digitalen Selbstvermessung und Medialität. Dieses Forschungsfeld hat in den letzten Jahren immer mehr Beachtung gefunden und wird von unterschiedlichen Disziplinen erforscht. Neben den Kulturwissenschaften werden Self-Tracking und die Selbstdarstellung im Internet auch von den Bewegungswissenschaften sowie von der Soziologie und der Psychologie erforscht.
Meine Forschung zum Self-Tracking und zur Selbstdarstellung ist in unterschiedliche empirische Phasen gegliedert. In der ersten Phase meiner Forschung habe ich mit Fachliteratur gearbeitet, um die Zusammenhänge verstehen zu können. Dabei habe ich zunächst Literatur im Internet gefunden. Darüber hinaus gibt es eine Reihe an Zeitungsberichte, die über Self-Tracking und die unterschiedlichen Möglichkeiten von der Datenerfassung berichten. Die ersten gesammelten Informationen zur Selbstoptimierung und Selbstdarstellung bildeten den Einstieg für die ethnographische Arbeit.
Methoden der Datenerhebung
Die zweite Phase der kulturanthropologischen Forschung bestand aus der ersten teilnehmenden Beobachtung, bei der ich unter anderem untersucht habe, wie und ob Fitnessarmbänder und/oder Pulsuhren von den AkteurInnen beim Laufen um die Alster benutzt werden. Bei meiner ersten Beobachtung habe ich mich auf eine öffentliche Sitzbank an der Alster (Hamburg) platziert, von der ich die LäuferInnen gut beobachten konnte. Mithilfe eines Notizbuches habe ich meine Beobachtungen notiert und skizziert. Während meiner gesamten Feldforschung habe ich Feldnotizen angefertigt, die mir bei der Datenerhebung geholfen haben und mithilfe der ich die notierten Erkenntnisse analysieren konnte. Meine zweite teilnehmende Beobachtung habe ich in einem Fitnessstudio in Hamburg durchgeführt, bei der ich insbesondere auf die Nutzung von Self-Tracking- Technologien geachtet habe und wie sich die AkteurInnen in dem Raum verhalten. Zudem habe ich bei der Beobachtung darauf geachtet, ob und wie die Menschen im Fitnessstudio ihr Handy verwenden.
Interviews
Bei kulturwissenschaftlichen Forschungen ergänzen Interviews die teilnehmenden Beobachtungen. Bei der Erstellung des Leitfadens für die Interviews in meiner Forschung habe ich darauf geachtet, möglichst offene Fragen zu erstellen, damit mein Gegenüber möglichst mehr als nur einem Wort antwortet.
Anschließend habe ich Interviews geführt, um die Fragen, die sich in der Zeit der Beobachtung und der Sichtung der Fachliteratur ergeben haben, zwei Experten stellen zu können. Hierzu habe ich ein Interview mit einem Mediziner und einem Model/Influencer geführt. Auf den ersten Blick scheint die Auswahl der Interviewpartner grundverschieden zu sein, allerdings haben sich bei einigen Fragen Parallelen gebildet, die ich so nicht vermutet hatte und auf die ich in meiner Arbeit eingehen möchte.
Ergebnisse
Bei der teilnehmenden Beobachtung im gut besuchten Fitnessstudio in Hamburg habe ich, wie erwähnt, auf die Nutzung von Self-Tracking-Gadgets geachtet sowie auf die Nutzung des Handys und Darstellung der Akteure im Studio. Es war auffällig, dass bis auf sieben Personen, alle ihr Handy während des Sports in der Hand, bei sich am Körper oder am Gerät liegen hatten. Insgesamt habe ich im Fitnessstudio in der Stunde, in der ich die teilnehmende Beobachtung gemacht habe, 52 Personen gezählt. Das folgende Kreisdiagramm zeigt die Ergebnisse der teilnehmenden Beobachtung in Prozent an.
Hier ist abzulesen, dass ich nur wenige gesehen habe, die von sich oder dem Raum Fotos gemacht haben. Ob diese dann in den sozialen Netzwerken hochgeladen worden sind, konnte ich leider nicht herausfinden. Allerdings muss ich hier anmerken, dass ich nur die Daten ausgewertet habe, die ich beobachtet habe. So kann es sein, dass während meiner Beobachtung mehr Fotos entstanden sind und ich sie nur nicht beobachtet habe, da die Zeit, die es benötigt ein Foto zu machen nicht sehr lang ist. Es hat mich verwundert, dass ich nur so wenige Personen gesehen habe, die Fotos während des Trainings gemacht haben. Wenig erstaunt hat mich das Ergebnis, dass so gut wie jede Person ein Handy beim Sport dabeihatte. Wahrscheinlich wäre dieses Ergebnis noch vor einigen Jahren anderes ausgefallen, da die Nutzung des Handys immer mehr zugenommen hat und es heute beinahe undenkbar wäre, wenn man ein Handy besitzt, ohne dieses das Haus zu verlassen. Wie viele von den Personen, die ein Handy dabei hatten, tatsächlich Apps zum Tracken ihrer Sportleistung benutzt haben, konnte ich nur teilweise herausfinden. In kurzen Gesprächen mit den NutzerInnen des Fitnessstudios habe ich erfahren, dass viele ihr Handy beim Sport benutzen, um bei WhatsApp Nachrichten zu beantworten oder bei Instagram und Facebook sich Fotos und Beiträge anschauen.
Mit meiner Vorannahme, dass viele Personen beim Training im Fitnessstudio ein Self-Tracking-Gadget benutzen, war nur teilweise richtig. In der Tat hatten 9% der beobachteten Personen Pulsuhren und Fitnessarmbänder um, allerdings bin ich davon ausgegangen, dass deutlich mehr Personen solche Selbstvermessungsgeräte benutzen. Inwieweit die NutzerInnen dieser Pulsuhren und Fitnessarmbänder nach dem Sport ihre gemessenen Daten auswerteten, konnte nicht festgestellt werden.
Bei der teilnehmenden Beobachtung an der Alster auf der Parkbank konnte ich für meine Forschung nur teilweise Erkenntnisse gewinnen. Da ich die Personen, die ich beobachten wollte, am Joggen waren, konnte ich nur notieren, wer offensichtliche Self-Tracking-Gadgets benutzt. Wenn die Handgelenke verdeckt waren, konnte ich nicht feststellen, ob die Person ein Fitnessarmband oder eine Pulsuhr trägt. Ich konnte in der Zeit, in der ich die Beobachtung durchgeführt habe, insgesamt 61 Personen beobachten, die beim Joggen waren, wovon ich nur bei 14 Personen ein Fitnessarmband bzw. eine Pulsuhr gesehen habe. Da die Personen alle in Bewegung waren, konnte ich auch nicht erkennen, was mit dem Handy in der Hand gemacht wurde. Ich konnte lediglich erkennen, dass 5 Personen ihr Handy in der Hand hatten. 37 der beobachteten Menschen hatte Kopfhörer auf und keine Person hat während des Laufens etwas am Handy getippt.
Bei einem Vergleich der durchgeführten Beobachtungen fiel mir auf, dass die Selbstdarstellung im Fitnessstudio eine andere war als beim Joggen um die Alster. Die Personen im Fitnessstudio waren gestylt, hatten figurbetonte Kleidung an und haben deutlich mehr Zeit am Handy verbracht. Dies kann allerdings auch daran liegen, dass die Temperaturen an der Alster deutlich geringer sind als die im Fitnessstudio und sich dadurch die Art und Weise was angezogen wird zum Sport verändert. Bei der teilnehmenden Beobachtung im gut besuchten Fitnessstudio in Hamburg habe ich, wie erwähnt, auf die Nutzung von Self-Tracking-Gadgets geachtet sowie auf die Nutzung des Handys und Darstellung der Akteure im Studio. Es war auffällig, dass bis auf sieben Personen, alle ihr Handy während des Sports in der Hand, bei sich am Körper oder am Gerät liegen hatten. Insgesamt habe ich im Fitnessstudio in der Stunde, in der ich die teilnehmende Beobachtung gemacht habe, 52 Personen gezählt.
Körperinszenierung
Durch den wachsenden technischen Fortschritt werden immer mehr Geräte entwickelt, die mit neuen Mechanismen langfristigen auf den Köper einwirken und das Handeln verändern. In Zeiten, in denen Personen des öffentlichen Lebens offen über Eingriffe am Körper sprechen und sich bei Schönheitsoperationen teilweise filmen lassen, sind derartige Veränderungen am Körper Alltag geworden. Dabei werden Körperveränderungen in Form von Vergrößerungen, Verkleinerungen jeglicher Art in den sozialen Netzwerken inszeniert.14 Dieses Phänomen der Körperveränderung betrifft schon längst nicht nur Prominente, auch in die Körper und das Verständnis der „Otto Normalverbraucher“ schreiben sich Schönheitsnormen ein und verändern den Blick auf den eigenen Körper.15 Nina Degele bezeichnet die Inszenierung von Schönheit und Außenwirkung über und mit dem Körper als „bodification“. Sie beschreibt den Körper als Projektionsfläche, die der Darstellung von gesellschaftlicher Strukturen dient. Diese Darstellung geht über weit über Faktoren wie das Geschlecht hinaus und umfasst auch die soziale Klasse oder den Lebensstil.16 Mit dem Begriff „beautification“ beschreit Degele Schönheitshandeln als einen Akt der sozialen Positionierung. Dabei ist Schönheitshandeln „ein Medium der Kommunikation, das der Inszenierung der eigenen Außenwirkung zum Zweck der Erlangung von Aufmerksamkeit und Sicherung der eigenen Identität dient“.17 Aus dem Interview mit dem Maxim S. hat sich ergeben, dass sehr viel Wert auf Äußerlichkeiten in den sozialen Medien gelegt wird. Nicht selten wird dabei nachgeholfen, bei Bildern etwa durch Photoshop oder durch Filter, die eine schönere Haut und ein besseres Gesamtbild zaubern sollen. Teilweise werden sogar Schönheitsoperationen durchgeführt. Bei meiner Beobachtung im Fitnessstudio ist mir aufgefallen, dass sich die Sportmode verändert hat und der eigene Körper zunehmend schon während des Sports durch einen Upload der gemessenen Fitnessdaten oder durch Fotos inszeniert wird.
Denn problematisch beim Self-Tracking ist das Gefühl der Unzufriedenheit mit sich und seiner Leistung, das erheblichen Stress verursacht und die Selbstakzeptanz vermindert. Diese Erkenntnis habe ich nicht zuletzt aus dem Interview mit Maxim S. gewonnen, der mir von einer bestimmten Situation in seinem Leben berichtete. Da er als Model arbeitet, muss er penibel auf seine Maße achten, weil sonst die Kleidung bestimmter DesignerInnen nicht passt und somit der Job nicht ausgeführt werden kann. Er muss sich wegen der festgeschriebenen Maße so ständig selbst vermessen und darauf achten, wie viel er isst, wie viel Sport er macht und wie er sich im Internet präsentiert, weil gerade über social media Anfragen für potenzielle Jobs kommen. Da sieht er persönlich auch einen großen Stressfaktor. Denn er ist quasi tagtäglich damit beschäftigt sogenannten „Content“ zu produzieren, um sich zu präsentieren und so möglichst interessante Anfragen zu erhalten. Dabei kommt es laut Maxim möglichen Auftraggebern auch immer mehr auf die Anzahl der „Follower“ an, die seine Inhalte auf der Startseite angezeigt bekommen.20 Die Reichweite mancher Influencer ist teilweise riesig. Sie bietet für viele Marken eine großartige Werbefläche, die direkt die Zielgruppe anspricht. Deswegen gehört das Thema Optimierung bei vielen Influencern, laut Maxim, zum Tagesgeschäft und der Druck, sich „perfekt“ darzustellen, ist immer präsent.
Datenschutz und Self-Tracking?
Die Erfassung von Daten über körperliche Aktivitäten und die Veröffentlichung dieser in sozialen Netzwerken führt zu Problemen im Hinblick auf den Datenschutz. In der Sport- und Gesundheitsbranche ist ein Datenmarkt für genau solche Daten entstanden. Für sie interessieren sich sowohl Sportartikelhersteller und Pharmaunternehmen als auch Arbeitgeber und im besonderen Maße Krankenversicherungen.
Die Generierung solcher personenbezogener Daten kann beispielsweise durch Wearables (wie etwa Fitnessarmbänder), Smartwatches oder auf dem Smartphone installierten Apps geschehen. Dabei werden von den NutzerInnen Daten über ihre Fitnessaktivität und über ihren Lebensstil gespeichert. Bei den voranschreitenden Entwicklungen der digitalen Informationstechnologie werden Themen wie Datenschutz und Privatheit immer näher in den Blick genommen. In immer mehr Lebensbereichen wird mit elektronischen Datenbanken gearbeitet, die eine Fülle von personenbezogenen Daten speichern. Dabei wird in vielen Fällen nicht über die sekundäre Nutzung personalisierter Daten gesprochen, was Fragen aufwirft: Wer erhält die Daten? Wo werden sie gespeichert? Oftmals ist hierbei auch nicht klar, in welchem Umfang diese sensiblen Informationen von den Anbietern geschützt werden und wer Einblick in die persönlichen Fitness- und Gesundheitsdaten hat.
Teilweise ist es erschreckend, wenn auf dem Computer sogenannte „Vorschläge“ über datenbasierte Such- und Empfehlungsservices erscheinen, welches Produkt einen doch vielleicht interessieren könnte. Diese Vorschläge können beispielsweise aus Apps generiert werden, die Vorschläge für Sportbekleidung als Werbung anzeigen, wenn Apps zur Gewichtsminderung installiert sind. Auf der anderen Seite können solche Vorschläge das Leben für einige Menschen auch erleichtern, die sich über die Hinweise auf geeignete Produkte freuen. Bei meiner Forschung zur Self-Tracking und Selbstoptimierung auf social media bin ich auf Widersprüche im Hinblick auf den Datenschutz gestoßen. So habe ich in einem Interview Maxim S. erfahren, dass ihm Datenschutz wichtig sei, was für mich in dem Moment in einem Widerspruch zu seiner Tätigkeit steht. Bei dem Betreiben von social media Kanäle geht es ja gerade darum, Menschen an dem eignen Leben teilhaben zu lassen. Nicht selten kommt es vor, dass Influencer in ihren sogenannten „Storys“ auf Instagram, ihre Wohnung, ihre Gefühlswelt und ihre Fitnesserfolge zeigen. Aus meiner Sicht wird zwischen Self-Tracking und Datenschutz auch in Zukunft weiterhin ein Konflikt bestehen.
Disziplinierung und Körperwahrnehmung
Während meiner Forschung konnte ich mithilfe des Interviews mit Maxim S. und des Mediziners Christian F. erfahren, dass sich durch die Selbstvermessung eine deutlich veränderte Wahrnehmung des Körpers ergibt und dies zur Entfremdung führt. „Wir gucken auf unseren Körper, wir achten auf unseren Körper – wir analysieren ihn und versuchen aus diesen Werten etwas Positives herauszuziehen. Das ist letztendlich wie in einem Hamsterrad. Man will körperlich immer mehr erreichen und setzt sich und seinen Körper unter Druck und sieht seinen Köper eher als eine Maschine als das, was er eigentlich ist“.22
Maxim beschreibt so recht anschaulich, wie Self-Tracking die Wahrnehmung des eigenen Körpers verzerren kann. Eigentliches Ziel des Self-Trackings ist es in der Regel, den eigenen Körper besser kennenzulernen und zu verstehen. Bei vielen führt dies letztlich zu einem Drang, den Körper immer stärker zu optimieren. Er wird letztlich nur noch als Objekt wahrgenommen, das bearbeitet wird. Vom ursprünglichen Ziel, den eigenen Körper als solchen besser kennenzulernen, entfernt man sich damit immer weiter. Eine Entfremdung und eine verschobene Selbstwahrnehmung sind das Resultat. Dieser Prozess wird auch als „Entleiblichung“ bezeichnet.24 Die Art und Weise, wie Menschen sich selbst wahrnehmen und ihren Körper disziplinieren, wird als ein ständiger Aushandlungsprozess beschrieben. Die an dieser Stelle relevante Beziehung zwischen Disziplin und Freiwilligkeit wurde auch schon durch Foucault behandelt. Die Selbsttechniken des Subjekts, in denen „das Individuum auf sich selbst einwirkt“, sind laut Foucault dicht an politische Technologien angeknüpft.25 Die Forderung nach Selbstdisziplin kann in diesem Zusammenhang als eine neue Form der Selbstregierung verstanden werden, denn durch die heutige Zeit, die durch eine Fitnessbewegung gekennzeichnet ist, wird ein individualisiertes Körpermanagement verlangt. Dabei wird insbesondere auf die Freiwilligkeit, mit der auf den eigenen Körper eingewirkt werden soll, betont, um ein bestimmtes Verhalten der Subjekte zu erreichen.
Self-Tracking = Selbstdarstellung?
Goffman beschreibt das Phänomen, dass sich Handelnde im Umgang mit anderen stetig kontrollieren, um einen konstruierten Eindruck von sich zu erzeugen und diesen übermitteln wollen. Mit dem Begriff „Darstellungen“ („performances“) beschreibt er Aktivitäten, die durchgeführt werden, wenn das Selbst sich in einen sozialen Akteur verwandelt, der sich im Ausdruckshandeln zur Schau stellt.26 Eine erfolgreiche Darstellung besteht für Goffman darin, dass die Handelnden überzeugend darstellen können, in der wirklichen Wirklichkeit zu handeln. Hierfür müssen sie eine Fassade aufbauen und einsetzten.27
Besonders der Fitness- und Sporttrend wird bei Instagram auf Fotos und in Videos inszeniert und zur Schau gestellt. Dass es dabei in den wenigsten Fällen um die Gesundheit geht, sondern vielmehr um das Aussehen, wird gekonnt überspielt. Bei Produktvorstellungen von Influencern geht es in den seltensten Fällen um Gesundheit, sondern es werden Schönheitsideale erzeugt. Instagram boomt und das zeigt sich deutlich an den Zahlen der aktiven NutzerInnen. Im Juni 2018 belief sich die Zahl der monatlich aktiven Instagram-NutzerInnen weltweit auf eine Milliarde.29
Bei meinem Interview mit Maxim S. habe ich erfahren, wie in den sozialen Medien ein bestimmtes Image „verkauft“ wird. Wenn man aktiv auf seinem Onlineprofil über Fitness- und Gesundheitsthemen spricht, wird ganz genau darauf geachtet, was man postet und was zu sehr von dem Image abweicht. Es wird somit, wie bei der Theorie von Goffman beschrieben, ein bestimmtes Verhalten inszeniert und davon so wenig wie möglich abgewichen, damit die konstruierte Maske bestehen bleibt.
Fazit
Das „Tracken“ eigener körperlicher Leistungen kann als Ergänzung zu einem gesunden Lifestyle ertragreich sein oder einfach als Hobby Freude bereiten. Es ist jedoch wichtig, sich der Risiken bewusst zu sein. Gerade beim Self-Tracking ist die Grenze zwischen spannender Selbstoptimierung und dem kleinlichen Dokumentieren sämtlicher Körperdaten oft sehr schmal. Durch meine Forschung habe ich herausgefunden, dass Self-Tracking in der Gesellschaft immer beliebter wird. Auch werden die gewonnen Daten zusammen mit Fotos von sich, die teilweise stark bearbeitet werden, in sozialen Netzwerken veröffentlicht. Dieser Trend wird aus meiner Sicht ermöglicht durch die ständige Entwicklung der technischen Möglichkeiten. Zudem leben wir in einer Leistungsgesellschaft, in der der Wille, sich selbst zu optimieren, bei vielen besteht. Dies führt jedoch häufig zu einer fast zwanghaften Selbstoptimierung, die mit einer verzerrten Selbstwahrnehmung einhergehen kann. Das Ziel, den eigenen Körper besser zu verstehen, wird so letztlich verfehlt. Auch gehören zur Gesundheit viele Faktoren, die nicht durch Self-Tracking erfasst werden können. Es ist deshalb nicht möglich, die eigene Gesundheit vollständig mit Algorithmen in Apps zu erfassen. Letztlich wirft das Self-Tracking viele Fragestellungen auf, die uns auch in Zukunft weiter beschäftigen werden.
Literatur- und Quellenverzeichnis