Die gesunde Stadt- Eine kulturanthropologische Forschung am Beispiel Sport in Hamburg

Von Ann-Christin Dimon

Healthy City Hamburg

Seit nun über 30 Jahren besteht das „WHO Healthy City Network“, das anstrebt die Gesundheitsfragen ganz oben auf die Liste der politischen Ziele von Stadtverwaltungen zu setzen.1 Auch die Stadt Hamburg hat sich einen dieser Netzwerke angeschlossen. Hamburg möchte Sportstadt werden.2
Dieses Unterfangen hat seinen Ursprung in der Olympiabewerbung aus dem Jahr 2015, welche mit einem Referendum abgelehnt wurde.3 Daraus entstand der sogenannte „Masterplan ActiveCity“ dessen Ziel es ist:

„die Entwicklung moderner, aktivierender Veranstaltungsformate, der niedrigschwellige Zugang zu Sportangeboten in der gesamten Stadt, die Unterstützung eines aktiven Lebensstils und damit verbundender Anspruch, die Idee der aktiven Stadt in die gesamtstädtische Entwicklungskonzeption zu integrieren.“4


Ausgehend von diesem Großprojekt der Stadt Hamburg, werde ich in dieser Arbeit von den Auswirkungen von Stadtplanung auf unsere Gesundheit sprechen, speziell mit dem Fokus auf Sport und welche Vor- und Nachteile sich ergeben können. Dazu werde ich zunächst auf aktuelle Vorstellungen in der Stadtplanung eingehen, sowie unser vorherrschendes Gesundheitsverständnis und wie diese den sogenannten „Public Health“-Sektor beeinflussen, zu dem man auch die „Active City“ zuordnen kann.
Danach werde ich auf die „Akteur-Netzwerk-Theorie“ von Bruno Latour und die „Gouvernementalität“ Foucaults eingehen und wie ich diese in dieser Arbeit verwenden werde. Um nachvollziehbar zu machen, wie ich mein Forschungsmaterial generiert habe, erkläre ich im darauffolgenden Teil meine Herangehensweise und die Methoden, die ich für den Erwerb des Materials angewandt habe.
Im letzten Teil dieser Arbeit werde ich Ihnen meine Ergebnisse präsentieren und diese schlussendlich in Verbindung mit dem aktuellen Strand in der Forschung und der theoretischen Perspektive Latours und Foucaults setzen.

Imagefilm „Hamburg Active City

Gesundheit und Stadt? Gesunde Stadt? Stadtgesundheit?

Was ist Gesundheit? Was ist eine Stadt? Wie sieht eine gesunde Stadt aus? Und was hat Sport mit alledem zu tun?
Gesundheit ist eine sozio-kulturell erzeugte Konstruktion, 5 welche von der World Health Organisation (WHO) ihn ihrer Gründungsversammlung als ein vollkommenes physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden definiert wurde. 6 Gesundheit ist dabei kein statisches Konstrukt, sondern befindet sich im Wandel. Galt es vor dem zweiten Weltkrieg noch Krankheiten zu behandeln, kann man heute beobachten, dass vor allem die Prävention von Krankheiten im Vordergrund steht. Gesundheit wird als Verantwortung des Individuums angesehen, 7 die als steiger- und optimierbar gilt. Auftretende Krankheiten werden dabei auf den Lebensstil des Individuums zurückgeführt, anstatt auf Umwelt- und Sozialfaktoren. So stellt eine ungesunde Lebensführung nicht nur ein Risiko für das Individuum dar, sondern auch für die Gesellschaft, in welcher sich das Individuum bewegt. Dadurch wird der Körper zum bedeutendsten Ort an welchem die Gesellschaft den Einzelnen definiert. 8
Bei dem Körper an sich, handelt es sich um ein soziales Konstrukt, welches mit viel zeitlichem Aufwand gepflegt und verbessert wird. 9 Am Körper werden soziale Kategorien festgemacht und soziale Prozesse werden in ihm verinnerlicht. Somit stellt er die materielle Verkörperung gesellschaftlicher Prozesse dar .10 Dies führt zu einer Differenzierung des Körpers in Körperideale und neoliberale Körperklassen, welche dazu befähigen Körper auszugrenzen, die nicht diese Ideale erfüllen. So schwindet die soziale Akzeptanz für „nicht-ideale“ Körper, die zur Folge hat das diesen der Zugang zu Freizeit und Arbeitsräumen versperrt bleibt. 11 So ersetzen die Körperklassen vermehrt soziale Klassen. 12 Gesunde Lebensführung wird am Körper des Individuums festgemacht, wodurch dieser nicht nur das „Eigenkapital“ einer Person ist, sondern gleichzeitig auch Konsumgegenstand.13 Aus dieser veränderten Wahrnehmung von individuellen Körpern resultiert unteranderem der sogenannten „Bewegungs- und Sportimperativ“, 14 welcher durch ansteigende Politisierung gekennzeichnet ist. 15 Prominente Beispiele sind dabei das Projekt „Hamburg Active City“ und der Aktionsplan „Fit statt fett“ der Bundesregierung, die auf die Änderung des Verhaltens abzielen und nicht auf die Änderung der Verhältnisse. Sport steht bei diesen Vorhaben im Mittelpunkt, da dieser bedeutungsoffen ist und eine vielfältige Anschlussfähigkeit bietet. Außerdem festigt dieser neoliberalen Bilder und Normen diskursiv und materiell wird dabei unterdessen als deren Reproduzent tätig. 16 Sport und Bewegung sind keine Tätigkeiten mehr, die aus Vergnügen betrieben werden, sondern sind eine soziale Pflicht und ästhetische Aufgabe geworden. 17
Diese Entwicklung führte auch gleichzeitig zum Aufkommen des Public-Health-Sektors, welcher sich auch in der Stadtplanung bemerkbar macht. 18 Anfangs wurde auch hier der verhaltensorientierte Ansatz gewählt, aber auch hier teilweise scheiterte. Der verhältnisorientierte Ansatz hingegen sieht passive und universelle Interventionen vor, die sich auf die gesamte Bevölkerung, oder eine bestimmte Gruppe, auswirken. Hier fallen die Selbstregulation und Motivation des Individuums weg. Trotzdem besteht bei beiden Ansätzen die Gefahr, dass soziale Differenzen übersehen oder gar verstärkt werden. 19
Die genannten Ansätze wirken sich dabei auf die Stadtgestalt aus. Diese setzt sich aus Einwohnerdichte, Landnutzung, die Verfügbarkeit und Lage von Freizeit- und Dienstleistungseinrichtungen, Funktionsdurch- und Entmischung von Flächen und Gebäuden und die Nutzung und der Zugang von und zu Freiräumen zusammen. 20 Dabei kann diese auf den Menschen reaktions- oder promotionsorientierend wirken.  Reaktionsorientiert wirkende Umwelt kann das Verhalten des Einzelnen negativ beeinflussen und dessen Gesundheit schädigen, während promotionsorientiert wirkende Umwelt körperliche Aktivität anregen. Reaktionsorientiert wirken zum Beispiel Luftverschmutzung und Lärm, wohingegen Grünflächen, eine intakte Nachbarschaft oder ansprechende Architektur promotionsorientiert wirken können. 21
In Folge dieser Erkenntnisse kam es zunehmend zur Aufwertung von Städten, was wiederrum zur Entwicklung von Marginalisierung anderer Stadtteile führte. Diese sind durch sozialen Wohnungsbau und eine veränderte Infrastruktur gekennzeichnet, wodurch diese Stadtteile sich zu einem sozialen Ödland entwickelten. Gängige Beispiele sind Stadtteile wie Wilhelmsburg, Veddel oder Horn in Hamburg, wo die Angebotsdichte und Qualität der Bewegungsräume verringert werden. 22 Zudem fallen die Mittel für Bewegungserziehung und -bildung teilweise oder komplett weg. 23 Infolgedessen findet wenig Bewegung bei allen sozialen und Altersgruppen statt und aus diesem Grunde Krankheiten, wie Adipositas, gehäuft vorkommen. 24 Gerade für junge Menschen ist dieser promotionsorientierte Faktor wichtig, da diese so ein Gefühl für ihren Körper erlangen und verschiedene Bewegungsstile bilden. 25 Zudem trägt Sport zu einer „sozial verträglichen Entwicklung des Gemeinwesens“ bei. 26 Dies wird vor allem bei jungen Menschen offensichtlich, da diese sich ungehindert von ethnischer oder sozialer Herkunft bewegen. 27

Von Akteuren, Netzwerken und der Macht

In diesem Teil widme ich mich der, oder besser gesagt, den theoretischen Perspektiven, aus welchen ich meine Forschung betrachten werden. Dafür habe ich zum einen die sogenannte „Akteur-Netzwerk-Theorie(ANT) von Bruno Latour und Foucaults Theorie der „Gouvernementalität“ herangezogen.
Zuerst möchte ich aber auf die Akteur-Netzwerk-Theorie eingehen, da diese den Großteil meiner theoretischen Perspektive bilden wird. Wie ich bereits erwähnte, stammte diese von Bruno Latour und kam Ende der 1990er- bzw. Anfang der 2000er-Jahre auf. Das Hauptziel dieser Theorie ist es (1) Akteure zu benennen, (2) deren Handlungsprogramme zu übersetzen, sprich deren Rolle und Interessen festzustellen und (3) das daraus entstehende Netzwerk aufzuzeigen. Wichtig zu verstehen ist dabei, dass Akteure sowohl menschlich als auch nicht-menschlich sein können und sich gegenseitig in ihrer Handlungsweise beeinflussen, sonst sind diese, laut Latour, keine Akteure. 28
Auch wenn es der Auffassung Latours widerspricht, dass man seine Akteur-Netzwerk-Theorie nicht als theoretischen Rahmen verwenden solle, so biete sie sich an, um einen Sachverhalt zu untersuchen, in dem sich ein Phänomen bewegt. 29 Bei diesem Phänomen handelt es sich um den Sport.  Um dieses Unterfangen zu bewältigen, werde ich zuerst die Akteure und deren Handlungsprogramme ausarbeiten, um diese dann in Beziehung zu setzen und deren gegenseitige Beeinflussung aufzuzeigen. Das daraus entstandene Netzwerk werde ich dann weiterführend mit der nächsten theoretischen Perspektive untersuchen.
Foucaults Perspektive der Gouvernementalität kam in den 1970er-Jahren auf. Sie bietet sich dafür an, Machtstrukturen und -mechanismen aufzuzeigen und wie diese das Subjekt formen und in seiner Handlungsweise beeinflussen. 30 Ich werde sie aus demselben Grund verwenden, um die angesprochenen Aspekte herauszustellen und um so eine weitere Betrachtungsmöglichkeit auf das Phänomen Sport mit einzubeziehen.
Das Ziel soll es sein, einen möglichst vielschichtigen Blick auf die generierten Ergebnisse zu gewährleisten und diese angemessen interpretieren zu können.

Wie und was erfoschen?

Ein essenzieller Teil einer Forschung ist das richtige Forschungsdesign. Dazu bedarf es reichlicher Überlegungen und Abwägung, was sich als hilfreich erweisen könnte und was nicht. Dies bezieht sich auf die Gebiete Forschungsfeld, Vorgehensweise und anzuwendende Methoden. Die Kulturanthropologie bieten in allen diesen Bereichen eine große Bandbreite. Alles kann ein Forschungsfeld sein, Vorgehensweisen sind so vielfältig wie die Forschungsgegenstände selbst und Methoden, um diese zu erforschen, sind in einer Vielzahl vorhanden. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass ich mich schwer damit tat überhaupt anzufangen.
Meine Forschungsfrage und – Gegenstand haben sich im Laufe der Forschung an diesem Projekt verändert. Lag mein Fokus zunächst auf dem Projekt „Hamburg Active City“, wurde daraus schnell die Nutzung des öffentlichen Raumes für Sport und Bewegung. Nach eingehender Literaturrecherche verändert sich wieder mein Standpunkt, so dass ich schlussendlich Sport als Teil einer gesunden Stadt untersuchte.
Um dieser Frage nachzugehen, begann ich damit einige teilnehmende Beobachtungen durchzuführen, die ich an beliebten Plätzen für Freizeitsport machte (e.g. Parks, Angebote des Projekts „Hamburg Active City“).
Auf Basis dieser teilnehmenden Beobachtungen formulierte ich anschließend Fragen für die darauffolgenden Interviews, die ich mit Bewohner*innen der Stadt Hamburg führte, speziell im Osten von Hamburg, da durch meine Recherchen sich dieser Teil Hamburgs als „weniger entwickelt“, in diesem Aspekt, herausstellte. Dies hatte vor allem den Grund, dass mich interessierte, wie dort der Ist-Zustand, in Bezug auf Sport, vorzufinden ist.
Eine weitere Methode, die ich angewandt jedoch nicht in dieser Arbeit verwendet habe, ist das „Mental Mapping“. Dies sollte mir Aufschluss über die Wahrnehmung der Bewohner*innen bezüglich ihre nähere Umgebung und Sportangebote geben.

Bestandsaufnahme

Wie ich bereits erwähnte, wollte ich primär herausfinden, wie der momentane Ist-Zustand ist. Zum Ist-Zustand lässt sich sagen, dass durchaus kostenlose Angebote für Sport und Bewegung vorhanden sind. Den Großteil davon bilden vor allem Parks, in denen man viele Jogger*innen und Fahrradfahrer*innen antrifft,31 aber auch Fußballplätze und Sportplätze, die öffentlich zugänglich sind. 32 Das Joggen bzw. Fußball spielen findet dabei häufig in Gruppen statt.33
Einer der Befragten erwähnte noch, dass es in der Nähe des Wohnortes der Person einen Platz gibt, 34 der sich am ehesten mit den sogenannten „Bewegungsinseln“ des Projektes „Hamburg Active City“ vergleichen lässt. Diese Plätze erfüllen in erster Linie die Aufgabe jede*r Bürger*innen die Möglichkeit zu bieten sich ausreichend zu bewegen. 35
Die Bewegungsinseln sind mit jeweils drei Geräten ausgestattet, auf denen man verschiedene Grundübungen aus dem Kraftsport absolvieren kann, welche den ganzen Körper beanspruchen. Zudem bieten sie die Möglichkeit leichten Ausdauersport zu machen. Außerdem sind die Bewegungsinseln barrierefrei gestaltet. 36 Ob dies auf dem genannten Platz, welcher im Interview erwähnt wurde, zutrifft, kann ich zu diesem Zeitpunkt leider nicht beantworten.
Nach der Einschätzung der befragten Person eigne sich dieser Platz vor allem für Personen, die gerade mit dem Kraftsport beginnen. Es bestehen aber auch Zweifel in Hinblick auf die Nutzbarkeit während bestimmter Wetterlagen, hier wurden besonders die Wintermonate hervorgehoben. Sie wünsche sich deshalb, dass eine Möglichkeit bestehe, dass Sporthallen ebenfalls frei zugänglich wären, damit man durch bestimmte Witterungsverhältnisse nicht davon abgehalten werden würde sich zu bewegen. 37
Eine weitere befragte Person sagte zudem, dass sie es wünschenswert fände, wenn diese Angebote, besonders durch das „Hamburg Active City“-Projekt weiterausgebaut würden. Sie sah vor allem für sich den Vorteil darin, dass diese rund um die Uhr verfügbar seien und es so einfacher sei, die eigenen Bewegungsbedürfnisse mit dem Berufsleben zu vereinen. Außerdem könne man sich so die Kosten für eine Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio oder einem Sportverein sparen. 38 Dies kann vor allem für Personen mit geringem Einkommen einen Vorteil darstellen.
Ein Eindruck, der sich während der Forschung ergab, war, dass die Beweggründe, um mit Sport anzufangen, meistens daher rühren, dass man sich ein besseres Aussehen erhofft. Alle Befragten gaben an, dass der Grund, warum sie Sport treiben, der sei, dass man dadurch besser aussehe. Erst im Laufe der Bewegungsaktivitäten stellten sich für sie auch die gesundheitlichen Vorteile heraus. 39 Diese sind so physischer als auch psychischer Natur. Eine der befragten Personen gab zum Beispiel an, dass sie Sport als Prävention für die Auswirkungen eines Berufes sieht, welcher hauptsächlich durch langes Sitzen gekennzeichnet ist 40
Ein anderer Befragter gab zusätzlich zu diesem Grund, der Prävention von physischen Krankheitsbildern an, das Sport sich zudem positiv auf dessen Selbstwertgefühl auswirke. Die befragte Person sagte, dass sie durch Sport und Bewegung ehrgeiziger geworden sei und sich ihrer eigenen Fähigkeiten bewusst geworden sei 41 Eine Beobachtung der ich, aus eigener Erfahrung, ebenfalls zustimmen kann. Zudem biete sich der Sport dazu an Stress abzubauen. 42
Trotzdem sah diese Person auch Nachteile für die mentale Gesundheit, besonders wenn Sport mit einem bestimmten Ziel, dass verfolgt wird, kombiniert wird. Sie gab an, dass wenn es zu einer Verletzung kommt, sich dies durchaus auf die mentale Gesundheit auswirken kann, da man so, sozusagen, den Anschluss verliere und sich die Erfolge so umkehren könnten. Dazu könne übermäßiger Sport zu einer verzerrten Selbstwahrnehmung führen, die durchaus auch zum Gebrauch von illegalen Mitteln führen kann. Dies bezieht sich aber eher auf den Fitnesssport, der mit Leistungsziel betrieben wird, anstatt auf die sportlichen Tätigkeiten, die auf den öffentlichen Sportstätten stattfindet. Diese seien nämlich, laut der Einschätzung der befragten Person, nicht dazu geeignet. 43
Abgesehen von den physischen und psychischen Vorteilen, die sich durch Bewegung und Sport ergeben, stellen kostenlose und öffentlich zugängliche Sportstätten auch einen Vorteil für das soziale Miteinander dar. Durch das gemeinsame Sporttreiben würden zuerst bereits bestehende Freundschaften gestärkt werden, aber auch neue entstehen. Es ergibt sich zudem die Möglichkeit neue Menschen aus dem eigenen Viertel kennenzulernen und so Vorurteile und Ressentiments abzubauen. 44 Dadurch könne ein stärkerer Zusammenhalt innerhalb des Stadtteils entstehen. Besonders wichtig kann die soziale Wirkung des Sports im Hinblick auf Kriminalitätsprävention sein. So kann der Sport, laut der Befragten, eine sinnstiftende Funktion einnehmen, die sich wiederrum positiv auf den Einzelnen auswirkt und so eine Möglichkeit hat (1) mentalen Stress abzubauen, (2) neue Menschen kennenzulernen und (3) Unterstützung zu bekommen. 45
Zusammen mit einem Befragten kam die Idee auf, dass durch ein breitgefächertes Angebot an sportlichen Aktivitäten und Sportstätten, die entweder kostenlos oder kostengünstig sind, sowie der Unterstützung durch Sozialarbeiter in dieser Hinsicht weitere Erfolge erzielt werden könnten. 46
Schlussendlich lässt sich sagen, dass sich Sport in vielerlei Hinsicht sich positiv auf den Menschen und sein Umfeld auswirken kann. Dafür müsste die aber bereits bestehende Infrastruktur weiter ausgebaut werden, damit diese Effekte auch verstärkt eintreten können.

Hamburg – eine gesunde Stadt?

Während der Analyse der Ergebnisse stellte sich heraus, dass es sich bei dem großen Sachverhalt, der laut Latour beschrieben werden muss, 47 um Gesundheit in der Stadt handelt. Die Stadt ist ein Gebilde aus gebauter Umwelt, sozialer Umwelt und natürlicher Umwelt, sowie ihrer Bewohner*innen. Die Bewohner*innen lassen sich weiter in Körper und Psyche unterteilen. Die Bewohner*innen leben in einer gebauten Umwelt, in der die soziale Umwelt miteingeschlossen ist und die sich in einer natürlichen Umwelt befindet. Die gebaute Umwelt hält die Bewohner*innen entweder von Bewegung ab oder regt sie dazu an.
Für diese Bewegung verwenden der Bewohner*innen ihre Körper. Dieser Körper wird von der sozialen Umwelt entweder als gut oder schlecht empfunden, was wiederrum die Psyche der Bewohner*innen beeinflusst. Diese Beeinflussung kann entweder negativer oder positiver Natur sein. Negativ fällt diese aus, wenn der Körper des Bewohners als schlecht wahrgenommen wird und er so von seiner sozialen Umwelt ausgeschlossen wird. Dies kann zur Folge haben, dass die Bewohner*innen in ihrer gebauten Umwelt isoliert werden. Positiv fällt diese aus, wenn der Körper der Bewohner*innen durch ihre soziale Umwelt akzeptiert und in sie eingebunden werden.
Die natürliche Umwelt, in welcher sich die gebaute Umwelt befindet, in der die Bewohner*innen leben und mit seiner sozialen Umwelt interagieren, wirkt auf den Körper und die Psyche der Bewohner*innen ein. Auch hier kann es negative und positive Effekte geben. Zu den negativen Effekten zählen, zum Beispiel Umweltverschmutzung oder Lärm. Die positiven Effekten gehören unteranderem Grünanlagen. Dieses Netzwerk wirkt sich dabei auf die Gesundheit aus.
Auf dieses Netzwerk wirken zudem Machtmechanismen, welche die genannten Akteur*innen in dem Netzwerk durchdringen.
Einer dieser Machtmechanismen ist der Neoliberalismus, in dem er das Subjekt durchdringt und es so neu konstruiert. So wandelt sich die Gesundheit in der Stadt zur Aufgabe der Einzelnen, denen man Werkzeuge in die Hand drückt, damit sie diese Aufgabe zufriedenstellend erfüllen kann und so ein wertvolles Mitglied der sozialen Umwelt wird. Innerhalb dieses komplizierten Geflechts von Akteur*innen und Handlungsprogrammen steht das Phänomen Sport.
Sport hat in erster Linie Auswirkungen auf die Bewohner*innen, und insbesondere auf deren Körper und Psyche. Sport kann dazu dienen physische Krankheiten vorzubeugen oder deren Folgen zu verringern. Besonders zu nennen sind hier Rückenprobleme, die bereits in jungen Jahren vorgebeugt werden können. Außerdem verändert Sport den Körper, der von der sozialen Umwelt als positiv wahrgenommen wird. Diese Veränderung des Körpers hat gleichzeitig Einfluss auf die Psyche. Durch Sport kann das Selbstbewusstsein erhöht werden und kann psychische Krankheiten, die durch Stress hervorgerufen werden, verhindern.
Trotzdem sollte erwähnt werden, dass sich dieser positive Effekt auf die Psyche auch in einen Negativen verwandeln kann. Dies kann passieren, wenn Sport krankhaft betrieben wird und soweit die Wahrnehmung des eigenen Körpers verändert, dass man sich ungesunde Idealtypen aneignet. So kann es sein, dass zu illegalen Substanzen gegriffen wird oder Rückschläge, wie Verletzungen, das psychische Wohlbefinden schädigen.
Außerdem bietet Sport die Möglichkeit die soziale Umwelt zu verändern. Sport kann als sinnstiftende Instanz verstanden werden, die es jungen Menschen ermöglicht, neue Kontakte zu schließen, Vorurteile abzubauen und so ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl innerhalb eines Stadtteils schaffen kann. Zudem kann Sport der Kriminalitätsprävention dienen, deren Effekte sich vor allem durch das Einschließen in eine Gemeinschaft und den sinnstiftenden Aspekt des Sports herausbilden.  Verstärkt werden können diese Effekte zudem durch das Bereitstellen von kostenlosen Angeboten, die für jedermann zugänglich sind. Diese ermöglichen es außerdem, dass Menschen aus prekären Lebensverhältnissen eine Möglichkeit haben, die bereits besprochenen Resultate in Anspruch zu nehmen.
Dies führt mich zum nächsten Punkt- die gebaute Umwelt. Diese wird nicht primär durch den Sport an sich verändert, sondern durch seine Ausführung und dessen Vereinnahmung durch den „Public Health“-Sektor. Manche Flächen sind klar als Sportflächen zu verstehen. Zu diesen gehören vor allem Grünanlagen und Flächen, die den Namen einer Sportart in sich tragen, wie zum Beispiel Fußballplätze, welche in die gebaute Umwelt mit einbezogen werden. Durch die Vereinnahmung des Sports durch den „Public Health“-Sektor entstehen stadtplanerische Projekte wie die „Active City“, die wiederrum vom Machtmechanismus des Neoliberalismus gekennzeichnet sind.
Ein Projekt wie dieses greift in die gebaute Umwelt ein, indem neue Flächen speziell für sportliche Betätigung geschaffen werden und bereits bestehende erweitert oder saniert werden. Dies soll eine promotionsorientierte Umwelt schaffen, die die Bewohner*innen dazu verleiten soll in ihre eigene Gesundheit zu investieren. Somit überträgt sich der Machtmechanismus des Neoliberalismus auf die Bewohner*innen der Stadt, die dieses dadurch reproduzieren und das neoliberale Gesundheitsverständis aufrechterhalten.

Literatur- und Quellenverzeichnis